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Unter Leuten (Guten Tag, Berlin)

Ina Kitroschat-Vogt

 

Berlin Friedrichstraße. Die U-Bahnstation hinter dem Café riecht unangenehm nach Urin. Mein Salted Caramel Machiatto ist inzwischen kalt geworden. Der Strohhalm aus Papier ist seit fünf Schlücken verbogen. Ein Kellner nimmt mein leeres Glas mit. Ich sitze hier noch eine Weile und warte auf jemanden. Jemanden zum Unterhalten, jemanden zum Lieben, einfach auf jemanden. Während ich warte, verladen Müllmänner den Müll. Straßenbahnen fahren vorbei. Passanten sind unterwegs. Gegenüber liegt ein umgekipptes Fahrrad. Es ist hellgrün. Sein Rahmen ziert ein eleganter Schwanenhals.

Erneut hole ich mir einen Kaffee und bleibe alleine. Der Himmel ist grau. Ich hole mein Tagebuch hervor und schreibe ein paar belanglose Zeilen. Ein Mann im Rollstuhl fährt vorüber. Menschen mit Rollkoffern beeilen sich. Ein junger Mann telefoniert. Der kleine Chihuahua, hinter der Frau, hat keine Lust mehr auf seinen Spaziergang. Eine Frau mit Kuchen und ein Herr mit Blumen laufen in entgegengesetzten Richtungen aneinander vorbei. Neben mir raucht ein Paar in seinen Fünfzigern Zigaretten. Sie haben einen kleinen Hund bei sich. Den füttern sie mit einem buttrigen Croissant. Der Hund frisst!

Es wird Zeit zum Zahlen. So stehe ich auf, gehe hinein und bezahle bar. Zwei Euro landen in der Kaffeekasse. Ich verlasse den Laden und begebe mich auf die Straße mitten unter die Leute. Guten Tag, Berlin.

Ein Wink an die Zukunft

Ina Kitroschat

Goldene Abendröte. Die Schatten der Bäume starren mich an, wie die greifenden Arme dunkler Kreaturen, doch liegt ein Hauch Verzauberung in der Luft. Ich seh in den Himmel und das letzte Blau erinnert an einen milden Tag, einen Tag wie eigentlich immer, ein Stück gestern. Der Morgen sieht schon wieder ganz anders aus… Ich öffne das Fenster um ein wenig duftende Abendluft zu erhaschen, so seicht und kühl, doch sie tut weh…
Ich schaue erneut in den Sonnenuntergang, sehe die goldrote Farbe der Sonne, so pulsierend wie die Liebe, doch ich spüre Schmerz. Angst vor dem großen Wandel… Mutter Natur’s Schoß ist wund gescheuert von der Menschheit, so oft hat sie versucht uns zu lieben und wurde immer wieder verletzt.
Wie töricht wir doch alle sind. Stumpf geht ein alter Herr seiner Wege, verbittert von der Grauheit des Lebens, gezeichnet von Krieg und Elend und gedemütigt von seinen Gefühlen. Es wird dunkel…
Da drüben, – ein Rabe vor meinem Fenster, er guckt mich still an, legt den Kopf schief und schaut mit treuen dunklen Augen. Ich spüre Hoffnung, ich spüre Fürspruch. Warme Gefühle… Flügelschlagen – es ertönt ein Krächzen, still schaut er direkt in meine Augen, als wolle er sagen, alles wird gut, die Menschheit bemerkt… Eine Freudenträne kullert und ich lächel ihn an. Erneutes Flügelschlagen und er fliegt davon in den Abend. Die Welt, so wie wir sie kennen, erstickt, die Straßen werden leer. Ich zünde eine Kerze an. Nur aus meinem Zimmer leuchtet noch ein Licht, ihr Schleier scheint die ganze Welt zu umschließen…