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Der unwirsche Ausruf meiner Mutter

Ina Kitroschat

Die Treppe hagelt in marmornen Tönen
Rosenrot-scheppernd
meinen Füße entgegen:
Tripp-Trapp!

„Eingeschlafene Füße gähnen nicht!“:
ruft Mutter, die unten den Hammer schwingt.
Wieso den Hammer?
Und nicht das Putztuch bis alles blinkt? (Häh?)

Hörst du wie meine Seele, die teure,
auf den gemarmorten Boden platscht,
diejenige, die heimlich-schmunzelnd unter meiner Brustdecke sitzt?!
Als ich erschrak, habe ich nicht geklatscht:

Kläglich, glitschig, haltlos, mopsig
wie ein taunasser Igel in fahrlässiger Tollwut
mit seinen Stummelfüßchen stolpert er leise
und delektiert sich gierig: am Blütenkelchgut.

Oh süßer Nektar, süßere Nektarin,
die sich gebildet hat
in meiner Kniekehle:
Du edelste Treppenrosenprinzessin!
Leuchte, leuchte rosarot
leuchte, leuchte rosabraun:
klingle, gurgle, raune, maune
tief in meiner Leistengegend!

Bis der Schmerz: der tiefe dumpfe
scheppernd-weiche, rötlich fahle
meine Backen nicht mehr übertrumpfe
und nicht mehr glühe im blassen Rot des Windes.

Die Hand, die fast aus dem Fenster fiel

Ina Kitroschat

Die Hand, die fast aus dem Fenster fiel
als ich sie streckte, sie war meine Hand.
Ich erschrak als ich sah wie lose sie dort hing
und niemandem winkte, der vorüber lief.
 
Sie hing lieber da, schaukelte kaum vor sich hin,
krümmte keinen Finger als sei sie nicht dort.
Das Fenster war es nicht, das sie vom Grüßen abhielt
Es war die Trägheit, die müde an den Knochen nagte.
 
Das Fleisch schlief still als gehörte es jemand anderem,
den ich nicht kannte. Dem ich nicht winkte.
Weder ballte sie sich, noch streckte sie ihre Glieder.
Als kannte sie keinen Gruß, sondern begrüßte nur das Fallen.
 
Ich winkte niemandem als ich sie streckte.
Ich erschrak nur und sah wie lose sie dort hing.
Sie war meine Hand, meine Hand
Und sie fiel fast aus dem Fenster als niemand vorüber lief.